Enterprise-Resource-Planning galt neben
Business-Process-Reengineering einst als Zauberwort der IT-Szene. Im
e-Commerce-Zeitalter scheint das Thema aus der Mode zu kommen, aber ohne
ERP würden die meisten e-Business-Portale leer bleiben.
ERP steht für
Enterprise Resource Planning und bezeichnet ganzheitliche
Softwarelösungen, die den betriebswirtschaftlichen Ablauf, sei es
nun im Bereich Produktion, Vertrieb, Logistik, Finanzen, Personal,
Verwaltung und anderes mehr, steuern, kontrollieren und auswerten.
ERP-Software unterscheidet sich von anderen betriebswirtschaftlichen
EDV-Programmen durch einen integrierenden Ansatz. Man versucht
jeweils das ganze Unternehmen mit seiner Aufbau- und
Ablauforganisation IT-mäßig abzubilden. Während übrige Software
funktional orientiert ist, arbeiten ERP-Programme prozeßorientiert.
Allen ERP-Anbietern ist gemeinsam, dass sie versuchen
mit ihren Lösungen den Informationsfluss im
Unternehmen als ganzes zu erfassen und
abzubilden.
Kommandosache
Durch die einheitliche
Verknüpfung der einzelnen Bereiche ist eine ERP-Lösung ein
sinnvolles Controlling- und Steuerungsinstrument zur Unterstützung
von Unternehmensentscheidungen. Gewachsen sind diese Lösungen auf
der Ebene der Großunternehmen. Der Vorläufer von SAP R/3 nannte sich
R/2 und wurde auf IBM/390 Mainframes entwickelt. Durch die
fortschreitende Standardisierung der einzelnen Bereiche fanden diese
Lösungen auch Einzug in den Mittelstand. ERP-Anwendungen sind
sozusagen bereichsübergreifende Standardsoftware-Lösungen zur
Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Richtete sich
anfänglich der Fokus solcher Applikationen auf rein
innerbetriebliche Abläufe, geht die Entwicklung inzwischen verstärkt
hin zu Koordination, Steuerung und Auswertung von außerbetrieblichen
Geschäftsprozessen. Im Zeitalter des e-Business, virtueller
Unternehmen und grenzenloser Internet-Kommunikation macht das alte
IT-Kürzel ERP einen verstaubten Eindruck. Neue Schlagworte wie SCM,
für Supply Chain Management (Lieferkettenmanagement), oder CRM, für
Customer Relationship Management (Kundenmanagement, wie
Kontaktverwaltung/Serviceverwaltung), geben nun den Ton an. Aber so
wie gute ERP-Software auf Datenbanken beruht, braucht auch das
e-Business ein Back-Office aus ERP-Funktionalität. Damit spricht man
vielleicht momentan weniger über ERP, aber notwendig sind die
Lösungen von Siebel, Oracle, Baan, SAP und anderen jetzt wieder mehr
denn je.
Umdenkprozesse
Der Wandel ist nicht zu
übersehen. Wem es nicht gelingt seine ERP-Software den
Internet-Herausforderungen anzupassen, wird nicht überleben. Wobei
die aktuellen Probleme von Baan weniger in der Produktpolitik des
ERP-Herstellers liegen, als vielmehr im ungeschickten
Finanzmanagement. Generell befindet sich aber der ERP-Markt aufgrund
von e-Business im Umbruch. ERP-Consulting-Unternehmen wie KPMG,
Deloitte, Origin und anderen stehen momentan unter dem noch immer
aktuellen Thema: Maximizing the Payoff of ERP! Natürlich ist die
e-Business-Version von R/3 "mySAP.com" eine gute Initiative und dem
Internet e-Commerce gehört die Zukunft aber an Hand aktueller
Kundenumfragen gewinnt man den Eindruck, daß bei weitem noch nicht
alle ERP-Probleme als gelöst bezeichnet werden können. "So einfach
ist es nun wiederum auch nicht - wie SAP-Chef Hasso Plattner
behauptet", merkte Brigitte Wallesch von KPMG zum Thema mySAP.com
an. Natürlich verspricht die SAP einen problemlosen Umstieg von
einem existierenden SAP R/3 GUI auf den Web-basierten
mySAP.com-Workplace-GUI. "Nur die neue Oberfläche bringt überhaupt
nichts", meint dazu Wallesch, "das Customizing dieser
Roll-based-Arbeitsplätze wird weiterhin notwendig sein!". Brigitte
Wallesch begrüßt und lobt aber sehr den Wandel von einem
traditionellen, prozeßorientierten Denken hin zu einem dem Anwender
angepaßten Roll-Based-Verhalten. Natürlich wird das viel Arbeit
erfordern, jedem seinen eigenen Arbeitsplatz einzurichten, auch ist
die Lizenzmodalität hier sicher noch nicht ganz ausdiskutiert, aber
es ist dafür sicher auch eine Effizienzsteigerung zu
erwarten.
Dominator
Marktführer bei ERP ist
zweifelsohne SAP mit R/2 und R/3, aber nur wenn man im strengen Sinn
den betriebswirtschaftlichen Markt für integrierte
Standardapplikationen betrachtet, ergibt sich ein nahezu
übermächtiges SAP-Bild, daneben existiert ein breiter Markt an
fertigen IBM AS/400 Lösungen und in der mittelständischen Wirtschaft
ist das Angebot an ERP-Lösungen fast schon wieder unüberschaubar.
Der größte Herausforderer zu SAP ist der Datenbankhersteller Oracle,
mit seiner Abteilung für Applications. In den USA zählt Siebel zu
den stärksten Mitbewerbern, sowie i2 oder PeopleSoft in ausgewählten
Bereichen. i2 Technologies bietet seinen Kunden intelligente
Werkzeuge zur Planungs- und Entscheidungsunterstützung, die
insbesondere auf die Optimierung der Reaktionsgeschwindigkeit,
Einhaltung von Lieferzeiten und Servicegrad,
Gesamtkapitalrentabilität und Optimierung des Gewinnbeitrags im
Rahmen des Supply Chain Management ausgerichtet sind. Das Enterprise
Resource Planing-Modell (ERP) von i2 ist vielmehr ergebnisorientiert
als klassische Ansätze, die auf prozeßorientierten Überlegungen
basieren. Mit diesem Ansatz unterstützt das i2-Programm RHYTHM das
Management der gesamten Supply Chain (Logistikkette) von der
Rohmaterialbeschaffung über Produktlagerung bis hin zur
Endkundenauslieferung. RHYTHM erweitert die Fähigkeit bestehender
Lösungen im Produktionsbereich und wird häufig in Verbindung mit
oder als Ergänzung zu bestehenden Produktionsplanungssystemen wie
etwa SAP R/3 eingesetzt. Das i2-Programm kann allerdings ebenso als
Stand alone-Version anstelle eines PPS/ERP-Systems eingesetzt
werden. Wesentliches Ziel von i2 ist jedoch weniger die Organisation
der Logistikkette im Sinne prozeßorientierten Denkens als vielmehr
die Wettbewerbsfähigkeit seiner Kunden durch entsprechendes
Supply-Chain-Management zu verbessern. RHYTHM bindet eine Vielzahl
spezifischer Einschränkungen und Engpässe, die in der Wirklichkeit
vorkommen, in das Modell der Logistikkette mit ein und steigert so
die Abbildungsgenauigkeit und verbessert den Nutzen des ERP-Modells
bei der Entscheidungsfindung. Im Gegensatz zu einem traditionellen,
sequentiellen Planungsansatz betrachtet die simultane Planung von i2
alle Schritte im Fertigungsprozeß gleichzeitig parallel. Das Ziel
von i2 ist, daß sich die Investitionen des Kunden bereits im ersten
Jahr seiner Software-Lizensierung zum Großteil
amortisiert.
Mass-Arbeit
Siebel hat eine
Markführerschaft in dem ERP-ergänzenden Produkt CRM, was für
Customer Relationship Management steht. Einen Spitzenplatz kann
Siebel selbst in Deutschland noch unangefochten behaupten,
wenngleich auch hier nicht alle Ziele erreicht wurden. Die
CRM-Newcomer Baan, SAP und Oracle mit ihren neuen
Internet-basierenden CRM-Lösungen werden nicht lange auf den
hinteren Plätzen verharren und rüsten zum Sprint an die Spitze.
Oracle CRM Applications ist ein Produktbundle zur Verwaltung von
firmenspezifischen Kundenbeziehungen, beginnend bei Marketing über
Vertrieb bis hin zum Service. CRM vereint sechs verschiedene
Disziplinen: Vertrieb, Marketing, Kundendienst, ERM, Data Warehouse
und Enterprise Application Integration. Im Zeitalter des Internet
müssen sich Firmen neuen Herausforderungen stellen: Der Wettbewerb
nimmt mit der Globalisierung zu und die Kundenerwartungen ändern
sich - Gegebenheiten, für die effektives Customer Relationship
Management äußerst wichtig sind. Oracle CRM deckt diese neuen
Anforderungen durch seine Internet-basierten Anwendungen als
integrierte Lösung vollständig ab. Die aus 35 verschiedenen Modulen
bestehende Produktsuite wurde exakt auf Marketing, Vertrieb,
Kundendienst, Call Center und e-Commerce optimiert. Darüber hinaus
stellt sie die bestmögliche Integration zwischen CRM-Anwendungen und
Back-end-ERP-Lösungen sicher. Die Integration vereinfacht wichtige
Geschäftsabläufe und bietet einen vollständigen Überblick über die
kundenbezogenen Aktivitäten im gesamten Unternehmen.
Gewinner
& Verlierer
Der renommierte Marktforscher META Group geht
davon aus, daß im 21. Jahrhundert der Unterschied zwischen Siegern
und Verlierern im Markt durch Customer Relationship Management und
nicht mehr durch ERP bestimmt wird. Oracle will als führender
Hersteller die nahtlose Integration von Front-Office- und
Back-end-ERP-Systemen mit tagesaktuellem Zugriff auf
Kundeninformationen somit anbieten. Die Lösung soll einen kompletten
Überblick über alle Interaktionen mit Kunden gewährleisten - egal,
ob direkte Verkaufskontakte, Kundenzugriffe über das Internet, durch
ein Call Center oder indirekt durch Partnerkanäle. Mehr als 33,5%
der deutschen Unternehmen planten 1999 die Einführung eines
ERP-Systems, so eine aktuelle Studie von Cap Gemini. Ein Beweis
dafür, wie attraktiv und notwendig integrierte Standardsoftware auch
für den Mittelstand geworden ist. Ein interessantes Detail der
Studie, das landläufigen Meinungen widerspricht: Die installierte
ERP-Basis unterscheidet sich in Europa und den USA nur minimal.
Deutschland ist für das gute Abschneiden der Europäer
mitverantwortlich. 74,8% der deutschen Unternehmen verfügen bereits
über ERP-Systeme, 39% davon erst seit dem Jahr 1998. Marktführer SAP
kann hier auf einen stolzen Marktanteil von mehr als 50% verweisen.
In Deutschland setzt man besonders stark auf
Client/Server-Architekturen; für die Hälfte aller Neuinstallationen
dienen sie als Basis. Europaweit nutzt nur jeder dritte Betrieb
dieses Modell, in den USA tendiert das Verhältnis eher Richtung 1:2.
Geht man von den vorhandenen Installationen aus, dann werden auf
beiden Seiten des Atlantiks unverändert häufig Mainframesysteme
eingesetzt: 37% in Europa gegenüber 32% in den USA. Bei den Gründen
für die Einführung eines ERP-Systems spielt in Europa zusätzlich der
Euro eine Rolle; er steht allerdings erst an dritter Stelle der
Einführungsgründe. Nummer eins und zwei waren das Jahr 2000-Problem
und ist noch immer die Optimierung der
Geschäftsprozesse.
Marke Eigenbau
Noch stärker als in
den USA tendiert man in Europa dazu, die ERP-Installationen selbst
zu betreiben. 89,5% der europäischen Unternehmen setzen hier auf
Do-it-yourself, aber nur 87,4% der US-Firmen. Mit 12,6% ist der
Outsourcing-Anteil allerdings auch in den USA vergleichsweise
bescheiden. Global gesehen hat ERP-Software in der petrochemischen
und Kunststoffindustrie mit 60% die größte Verbreitung, die
niedrigsten Werte gibt es im Bereich Finanzdienstleister und
Gesundheitswesen. In Deutschland gibt es hohe Verbreitungsgrade von
ERP-Software ebenfalls in der petrochemischen Industrie, allerdings
auch im Bereich Handel, Vertrieb, Energie und
Telekommunikationsindustrie sowie im Bereich Engineering. In Europa
stehen bei den geplanten ERP-Projekten CRM nach der
Personalwirtschaft auf der zweiten Stelle und erst an der dritten
Finanzwirtschaftsmodule. Nur 7% der europäischen Unternehmen und gar
nur ein Prozent jener aus den USA setzen bei Supply Chain Management
auf ihre Standardsoftwarelieferanten. Diese haben sich allerdings
auch ziemlich lange Zeit gelassen, um CRM-Lösungen
anzubieten.
Dynamische Entwicklungen
Für
Marktbeobachter wie Forrester Research, Boston, entwickelt sich das
professionelle e-Business auf Basis von ERP mit einer großen
Dynamik. Schon im Jahr 2003 rechnen die Analysten mit einem
weltweiten B2B-Umsatz von 1,3 Milliarden Dollar im
Internet-Geschäft. Je mehr das Web die Wirtschaft in den Bann zieht
und klassische Geschäftsprozesse auf den Kopf stellt, desto höher
ist der Anspruch der Unternehmen, sich ohne Zeitverlust über den
Erfolg ihrer Geschäftstätigkeit zu vergewissern und strategische
Informationen effizienter als bis dato möglich zu nutzen. Die
Metamorphose von R/3 zu mySAP.com kam gerade noch rechtzeitig.
Oracle und Siebel sind im ERP/Internet-Markt sehr gut etabliert.
Baan hat den Anschluß verpaßt und auch für PeopleSoft stehen
momentan die Sterne nicht günstig. Nischenanbieter wie i2 tun sich
hier etwas leichter. "Unternehmen suchen nach Lösungen, die den
Entscheidern einen Überblick über alle wichtigen Bereiche
verschaffen" so Mark A. Smith, Direktor der Meta Group.
"Entscheidenden Anteil daran haben einheitliche ERP-Parameter zur
Bewertung von Geschäftsprozessen sowie von Kunden- und
Lieferantenbeziehungen." Die Implementierung eines ERP-Systems ist
die schrittweise Übertragung tradierten Wissens in IT-gestützte
Aufbau- und Ablauforganisationen. Hier versammelt sich das gesamte
Wissen eines Unternehmens. Was an Erfahrung, Erlerntem und
Überliefertem vielleicht noch vor wenigen Jahren für den notwendigen
Wettbewerbsvorsprung ausreichend war, könnte heute schon ein
hemmender Rucksack aus Altlasten
sein.
Wissenschaft
Die Logik des Mißlingens, nennt
Professor Dietrich Dörner von der Universität Bamberg das Scheitern
in komplexen Situationen. Wer heute auf sich allein gestellt bei der
Implementierung von ERP-Software scheitert, denkt nicht falsch,
sondern linear, wenig vernetzt und kaum strategisch. Wir haben es
nicht gelernt! Dort wo wir uns im Berufs- und Privatleben meistens
behaupten mußten, herrschten relativ statische Ablauforganisationen,
bei denen kleine Veränderungen entsprechend kleine Wirkungen hatten.
Den Umgang mit komplexen, vernetzten, intransparenten und
dynamischen Systemen beherrschen wir nur teilweise. Ein ERP-System
soll aber in einem Unternehmen genau diese Herausforderung
bewältigen. "Man kann strategisches Denken lernen. Aber: ganz
einfach ist das nicht", sagt Dörner. ERP-Software ist aber nicht nur
komplex sondern auch hoch dynamisch, Kybernetik ist die
Steuermannskunst. ERP ist der Versuch, ein Unternehmen effizient und
global zu steuern. ERP-Software zu implementieren, erfolgreich zu
betreiben, zu warten und kontinuierlich zu verbessern ist kaum mehr
vom Standpunkt des operativen Alltagsgeschäfts möglich. Programme
selbst zu schreiben gehört der Vergangenheit an, heute setzt man auf
prozeßorientierte und rollenbasierte Standardlösungen. Damit scheint
ERP speziell für Klein- und Mittelbetriebe der beste Weg zur eigenen
Steuermannskunst.
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